Nachdem wir gestern den schwierigsten Teil des 5-Lagunen-Trekkings gemeistert haben, freuen wir uns auf einen Ruhetag mit einem erfrischenden Bad in der Laguna Cretón.
Weiter geht es von der Laguna Cretón über die Lagunen Azul und Jujuy, den Cerro Capitán und das Mallín de Ricardo zur malerischen Laguna Ilón.
Aber zunächst einmal müssen wir zwei Tage im Zelt ausharren...
Ein (Geburts-) Tag im Zelt – Willkommen in Patagonien!
Unseren Ruhetag verbringen wir zu fünft kartenspielend im Zelt. Schwimmen und in der Sonne liegen? Träumt weiter, ruft Patagonien uns entgegen. Es regnet.
Der Himmel ist grau und die schweren Wolken haben die umliegenden Berge Cristal, Bonete und Punta Negra fest im Griff.
Nachmittags klart es kurz auf, um dann nur umso heftiger zu regnen und zu stürmen.
Am nächsten Morgen bauen wir früh unsere Zelte ab. Es stürmt nach wie vor, der Himmel ist grau, aber es ist trocken.
Wir wagen den Aufstieg zur Laguna Azul, als es wie aus dem Nichts düster um uns wird.
Von einer Minute auf die nächste ist kein Berg mehr zu sehen, geschweige denn wegweisende Steinmännchen.
Noch bevor wir etwas sagen können, ergießt sich der Platzregen über unseren Köpfen.
Binnen kürzester Zeit sind wir nass bis auf die Haut. So kommen wir nicht weiter!
Also zurück zur Laguna Cretón.
Im strömenden Regen bauen wir die Zelte auf, alles im Rucksack ist klamm – trotz Regenschutz –, sogar der Schlafsack ist feucht.
Wir sitzen zitternd in den Zelten und lauschen dem Regen.
Heute ist Martíns Geburtstag. Feliz cumpleaños!
Wir singen ihm ein Ständchen und teilen uns den Geburtstagskeks, den wir in Bariloche gekauft haben, und der sich während der letzten Tage in ein erbärmliches Häufchen Krümel verwandelt hat.
Der Wind nimmt zu, die Temperatur sinkt.
Aus Regen wird Graupelschauer, dann Schnee.
Es schneit und regnet und regnet und schneit.
Nicht eine Minute lange ist es heute trocken.
Der Tag ist lang. Wir sitzen im Zelt und hören den Wind heulen. Keine Chance auf trockene Kleidung.
Länger als der Tag ist die Nacht. Ohne Schlaf zu finden liegen wir zitternd in den Schlafsäcken.
Wutentbrannt heult der Wind über der Lagune, sein Echo prallt an den Bergen ab.
Die Zeltstangen zeigen lautstark ihr akrobatisches Können.
Meine Haut ist kalt und aufgeweicht.
Irgendwann zwischen Windstoß und Regen fallen die Augen doch zu.
Wanderung Laguna Cretón - Laguna Ilón
Am nächsten Morgen ist vom Inferno außer unserer feuchten Kleidung nichts mehr übrig geblieben.
Der blaue Himmel ist wolkenfrei. Die ersten Sonnenstrahlen wandern zaghaft die Felsenwand hinunter.
Als die Sonne mein Gesicht berührt, ist es das schönste Geschenk, das ich mir in diesem Moment vorstellen kann.
Während wir ausgiebig Mate trinken und frühstücken, hängen wir unser gesamtes Hab und Gut zum Trocknen auf.
Dann machen wir uns bei bestem Wetter auf zu der Lagune, die mir schon seit einigen Jahren im Kopf herumgeistert.
Laguna Azul (Calvú), Laguna Jujuy & Aufstieg zum Cerro Capitán
Damals habe ich auf einem Foto eine Lagune von so unwirklich intensivem Blau gesehen, dass ich dachte, der Fotograf hätte zu sehr am Sättigungsregler gedreht. Nach einem kurzen Aufstieg darf ich die versteckte Schönheit mit eigenen Augen sehen. Die Laguna Azul wird ihrem Namen gerecht. Es hat höchstens die Natur am Sättigungsregler gedreht.
Sie ist BLAU! Tiefblau! Und liegt wunderschön in Felsen eingebettet.
Ich kann mich an der Lagune nicht sattsehen, hätte stundenlang einfach nur sitzen und schauen können.
Von etwas weiter oben sieht man hinter der Lagune im Tal die Ausläufer des Lago Mascardi und das Hotel Tronador. Auf der anderen Seite erhaschen wie einen Blick auf den Brazo de la Tristeza des Nahuel Huapi Sees und in der Ferne die Insel Victoria. Das Panorama ist spektakulär!
Nach wenigen Metern erreichen wir ein weiteres Highlight: die Laguna Jujuy. Hier kann im Notfall gezeltet werden, allerdings liegt die Lagune dem Wind sehr ausgesetzt und höher (1850 m) als die Laguna Cretón (1650 m), sodass die Nächte deutlich ungemütlicher werden können.
Das Wasser der Laguna Jujuy ist glasklar.
Wir machen eine Pause und der ein oder andere Mutige gönnt sich die Erfrischung, die wir an der Laguna Cretón nicht haben konnten.
Danach gilt es noch etwa 100 Höhenmeter zum Cerro Capitán, dem höchsten Punkt der Fünf-Lagunen-Wanderung, zu überwinden.
Der Weg ist ausreichend markiert und weist keinerlei technische Schwierigkeiten auf.
Oben angekommen sehen wir ihn endlich wieder, größer, mächtiger und näher denn je: den Tronador.
Die Andenkette, grüne Täler, die Seen Frey, Anasagasti, Brazo Tristeza – ein wundervolles Panorama erstreckt sich vor uns.
Über uns gleiten lautlos Kondore durch die Luft. Schweigend genießen wir den Ausblick eine lange Weile.
Abstieg Cerro Capitán, Mallín de Ricardo & Laguna Ilón
Der Abstieg ist steil, aber wir kommen zügig voran. Zunächst über ein Geröllfeld, dann über einen Grashang zum Mallín de Ricardo.
Bei Regen ist der Abstieg über die Wiesen sicherlich unangenehm, wir kommen mit ein paar Mal auf dem Hintern landen davon.
Über das Mallín de Ricardo haben wir viele unschöne Dinge gelesen, dass ein Vorwärtskommen beinahe unmöglich ist, dass man bis zu den Waden im Matsch versinkt, dass man ständig steckenbleibt.
Wir finden es ziemlich trocken vor und durchqueren es recht schnell.
Durch einen herrlichen Scheinbuchenwald geht es noch eine kurze Strecke bergab, dann sind wir am Ziel: der Laguna Ilón.
Laguna Ilón - einmal im Sternenhimmel baden
Wir lassen uns im Refugio eine köstliche Pizza und ein Bier schmecken.
In der Nacht wagen wir uns noch einmal hinaus in die Kälte, um den klaren Sternenhimmel zu bestaunen.
Hinter der Lagune erhebt sich – auch nachts weiß erleuchtet – der Cerro Tronador, der lautstark grummelt und vor sich hin „donnert“. Auch er wird seinem Namen gerecht.
Die Sterne spiegeln sich auf der glatten, schwarzen Oberfläche der Lagune, sodass wir oben wie unten von einem Meer aus Sternen umgeben sind. Über den Lenga-Bäumen thronen die Milchstraße und die Magellanschen Wolken.
Diese Nacht ist unbeschreiblich! Und der darauffolgende Morgen ebenfalls....
Auf einen Blick: Laguna Cretón bis Laguna Ilón
- Entfernung: 7,8 Kilometer
- Höhenmeter: ↗ 333 m, ↘ 599 m
- maximale Höhe: 1963 m (Cerro Capitán)
- Dauer: 6 Stunden
- Schwierigkeit: mäßig (Einschätzung der argentinischen Nationalparkverwaltung und des Club Andino)
Die Laguna Ilón verfügt über 2 Domo-Zelte, eines zum Übernachten (Stockbetten), das andere für die Verpflegung.
Der Bau einer Hütte ist geplant.
Da man von Pampa Linda schnell und relativ leicht zur Lagune kommt, nahmen die Wildcamper hier Überhand.
Der schöne Strand war übersät mit Müll, Klopapier und anderen menschlichen Hinterlassenschaften.
Aus diesem Grund hat die APN beschlossen, dort ein Refugio zu bauen. Preise und weitere Infos findest Du hier.
- Zelten: ja, 350 Pesos (Stand: März 2020)
- Küchennutzung: ja, 100 Pesos (Stand: März 2020)
- Abendessen: ja, 800 Pesos (Stand: März 2020)
- Wasser kann am Refugio kostenlos aufgefüllt werden
- Toilette: ja, Komposttoilette
- Dusche: nein
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Frie (Donnerstag, 21 Mai 2020 14:24)
Hi Simone,
Ich kann es kaum glauben was für Touren du machst. Diese Etappe ist der Wahnsinn, wie spannend du diese Tour beschrieben hast. Habe ein bisschen Gänsehaut bekommen. Liebe Grüße von Frie
Wir genießen gerade den Abend auf dem Balkon. Es fehlt der Sternenhimmel.
Argentinien24/7 (Samstag, 23 Mai 2020 18:40)
Danke, liebe Frie, für Deinen netten Kommentar. Schön, dass Du so mitfühlst! ;-)
Die Tour war gut, um die berüchtigte Komfortzone mal zurückzulassen und innere Grenzen auszuweiten.
Neue Wanderungen sind natürlich schon in Planung, aber sobald die derzeitige Situation es zulässt, gehts erst einmal nach Deutschland, und dann erfährst Du weitere Geschichten aus erster Hand auf dem Balkon!
Liebe Grüße aus Buenos Aires
Simone