Wenn die Tragfläche des Flugzeugs die verschneiten Berggipfel zu streifen scheint, sich vor Deinem Fenster eine unbewohnte, wilde Welt aus Grün und Braun, unterbrochen von ein paar smaragfarbenen Lagunen, ausbreitet und Du das Gefühl hast, der Flieger setzt gleich zur Landung auf dem je nach Wetter azurblau, grau oder schwarz schimmernden Wasser an, dann, ja dann freu Dich ausgelassen wie ein Kind, denn dann bist Du bald in der südlichsten Stadt Argentiniens: in Ushuaia!

Jedes Mal, wenn das Flugzeug die Magellanstraße überfliegt und ich weiß, dass nun feuerländische Winde unter uns wehen, rutsche ich in freudiger Erwartung auf dem engen Sitz hin und her und klebe an der Fensterscheibe, denn dort, wo die Anden im Atlantik versinken, dort ist die Natur unbändig und wild, aber dort liegt auch sie, eine meiner zahlreichen argentinischen Liebschaften, Ushuaia, eine Stadt, die so schön vielleicht gar nicht ist. Aber es zählen ja die inneren Werte – und die habe ich, zugegebenermaßen, erst nach etlichen Besuchen erkannt.

Wildes Feuerland: Beagle-Kanal und Andengipfel aus der Vogelperspektive

Bild 2: Ein paar schneebedeckte Gipfel der zu Chile gehörenden Darwin-Kordillere ragen aus dem Wolkenmeer

Ushuaia liegt auf der großen Feuerland-Insel (Isla Grande de Tierra del Fuego) am Beagle-Kanal und rühmt sich damit, die südlichste Stadt der Welt, die Stadt am Ende der Welt (Fin del Mundo) zu sein, dort, wo alles aufhört bzw. beginnt. Konkurrenz macht ihr allerdings das chilenische Puerto Williams, das südlicher liegt und seit ein paar Jahren zur Kleinstadt herangewachsen ist.

Ende-der-Welt-Feeling kommt außerhalb des lebendigen Zentrums von Ushuaia schnell auf, auch wenn die Stadt gar nicht so südlich liegt, wie viele denken. Man wähnt sich nahe der Antarktis, doch das ist ein Trugschluss. 1150 Kilometer trennen die Stadt von der argentinischen Forschungsstation La Esperanza in der Antarktis. Ushuaia liegt auf dem 54. Breitengrad Süd, übertragen auf die Nordhalbkugel entspricht das in etwa der Lage von Flensburg – und trotzdem ist hier im Süden „World’s End“-Stimmung.

Blick auf Ushuaia und den Beagle-Kanal

Der Name Ushuaia kommt aus der Sprache der Yamaná-Indigenen und bedeutet übersetzt „Bucht, die nach Osten blickt“.

Ushuaia ist die einzige Stadt Argentiniens, die südlich der Anden liegt. Das Gebirge, das auf dem Festland Chile von Argentinien trennt, verläuft auf Feuerland nicht mehr in Nord-Süd-Richtung, sondern von West nach Ost. Ganz im Osten von Feuerland, in der Peninsula Mitre, verabschieden sich die Anden ins Meer. Der höchste Berg Feuerlands liegt in der Darwin-Kordillere im chilenischen Teil der Insel: der Monte Shipton mit 2469 Metern über dem Meeresspiegel.

Von Ferdinand Magellans Chronisten Antonio Pigafetta wissen wir, dass die Männer bei ihrer Entdeckungsreise 1520 südlich der Magellanstraße nachts vom Schiff aus überall lodernde Feuer sahen. Es waren die Lagerfeuer der Ureinwohner, und die Europäer gaben der zerklüfteten Inselwelt daraufhin den Namen Feuerland. In jener Zeit lebten auf dem Archipel vier Gruppen von indigenen Völkern: im Süden und Westen die Seenomanden Yámana (auch Yaghan genannt) und Kawesqar, im Osten und im nördlicheren Landesinneren die Landnomaden Haush und Selk’nam (auch Ona genannt).

Die Feuer waren für die Menschen aber nicht nur überlebenswichtige Wärmespender – selbst im Sommer steigt das Thermometer selten über 10 Grad –, sondern sie dienten vor allem dem kommunikativen Austausch. Mit speziellen Rauchzeichen entwickelten sie ein komplexes Kommunikationssystem von Insel zu Insel, um so etwa drohende Gefahren anzukündigen. Einer Gefahr jedoch waren sie nicht gewachsen: den Menschen.

Charles Darwin beschrieb die Feuerlandindigenen, von denen er glaubte, sie seien wilde Kannibalen, als die „elendsten und bemitleidenswertesten Kreaturen dieser Welt“, auf europäischen Völkerschauen mussten sie als „exotische Ausstellungsstücke“ herhalten. Von den Europäern eingeschleppte Krankheiten, gnadenlose Verdrängungspolitik wie die „Wüstenkampagne“ von General Julio Argentino Roca, mit der er die argentinisch-europäische Dominanz über die Gegend von der Pampa bis in den äußersten Süden sicherstellen wollte, sowie blutige Auseinandersetzungen im Zuge der dauerhaften Besiedelung des Archipels führten schließlich dazu, dass die Feuerlandindigenen bis Anfang des 20. Jahrhunderts fast vollständig ausgerottet waren.

Wo heute Ushuaia liegt, errichteten englische Missionare im Jahr 1869 eine Missionsstation. Für die Stadtentwicklung entscheidend war allerdings der Bau eines Gefängnisses. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Insel abgesehen von Missionsstationen und Estancias wirklich das „Ende der Welt“. So schickte die argentinische Regierung Gewaltverbrecher und politische Gefangene dorthin, um ein Gefängnis zu errichten, das 1920 fertiggestellt wurde. Die Sträflinge bauten auch die Schmalspurbahn, die heute unter dem Namen „Tren del Fin del Mundo“ Touristen durch den Feuerland Nationalpark kutschiert, damals aber insbesondere dem Holztransport diente. Im Jahr 1947 wurde das Gefängnis aufgelöst.

In diesem Gebäude befinden sich heute mehrere Museen:

• Museo del Presidio: über das Gefängnis, seine Errichtung, die Konditionen der Sträflinge, den Tren del Fin del Mundo
• Museo Marítimo: über die bedeutendsten Seefahrer und Entdecker sowie die Yagán-Indigenen, erste Bevölkerungsversuche durch die Europäer, Geschichte der Estanciero-Pioniere in Patagonien und Feuerland
• Museo Antártico: über Flora, Fauna, Forschungsstationen und Expeditionen in die Antarktis
• Museo de Arte Marino: Gemälde argentinischer Künstler von 1889 bis heute

Trotz zahlreicher Besiedlungsversuche, die durch die argentinische Regierung aktiv gefördert wurden, blieb Ushuaia lange Zeit das unliebsame Ende der Welt, wo niemand leben wollte. Einen Boom erlebte die Stadt durch ein Gesetz von 1972, das für Unternehmen viele Steuern erließ. Ushuaia wurde allmählich zur Industriestadt, die Infrastruktur verbesserte sich zunehmend und damit kam auch der Tourismus ins Rollen. Heute gilt Ushuaia als Tor zur Antarktis und wird unter anderem von tausenden Kreuzfahrttouristen besucht. Wer einsame Naturschönheiten sucht, wird nur ein paar Kilometer außerhalb der Stadt fündig.

Die berühmt-berüchtigten 4 Jahreszeiten an einem Tag zu erleben, ist in Ushuaia keine Seltenheit. Mit im Schnitt 105 Regentagen pro Jahr, ist eine gute Regenjacke Pflicht im Gepäck.

Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei etwa 10 °C mit durchschnittlichen Höchsttemperaturen von 15 Grad im Sommer und Mindesttemperaturen von minus 2 Grad im Winter. Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht deutlich wärmer (oder kälter) werden kann. Gerade in den letzten Jahren knackte das Thermometer im Sommer nicht selten die 30-Grad-Marke – hola Klimawandel!

Grundsätzlich ist Ushuaia das ganze Jahr über für Reisende attraktiv, da hier auch alle erdenklichen Wintersportarten angeboten werden.

Für alle anderen Aktivitäten sind die Sommermonate von November bis März empfehlenswert. Ein besonderes Erlebnis ist mit Sicherheit die Sommersonnenwende am 21. / 22. Dezember, wenn sich die Sonne nur für ein paar Stunden hinter den Bergen der Isla Navarino versteckt. Allerdings gibt es auch im Hochsommer keine Schönwettergarantie.

Sei am besten einfach für jedes Wetter und plötzlichen Wetterumschwung gewappnet. In Sachen Kleidung bedeutet das: Zwiebelsystem. Und: immer Sonnencreme! Auch wenn es bewölkt ist! Denn die Sonneneinstrahlung ist hier sehr intensiv. Ich verwende auch an grauen Tagen Sonnencreme mit LSF 50, denn selbst bei Regen habe ich mir schon die Nasenspitze verbrannt (das glauben mir meine Gäste aber immer erst, wenn sie es selbst erfahren).

Die Küche Ushuaias versteht es, die Sinne nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen. Zu den Spezialitäten zählen unter anderem:

• Centolla: Königskrabbe, gibt’s im Zentrum in fast jedem Restaurant und auf unterschiedlichste Arten zubereitet, einfach durchprobieren. Eines meiner Lieblingsgerichte ist Centolla mit Parmesan überbacken (Centolla al Parmesano). Bei einer ganzen Königskrabbe mit Schale bekommt man eine Schere und eine kurze Einführung des Kellners, wie sie gegessen wird. Tipp: Am besten schmeckt Centolla in dem kleinen Fischerdorf Puerto Almanza, 70 km östlich von Ushuaia am Beagle-Kanal. Als kleinen Snack zwischendurch empfehle ich Empanadas mit Centolla gefüllt.
• Merluza Negra: schwarzer Seehecht
• Cordero Patagónico: gegrilltes Lammfleisch
• Leckere hausgemachte Pasta gibt es wie überall in Argentinien in fast jedem Restaurant, hier häufig mit Centolla gefüllt – köstlich!

• Flugzeug: Ushuaia wird von einigen größeren Städten Argentiniens (Córdoba, Calafate, Trelew, Buenos Aires...) angeflogen. Von Buenos Aires gibt es mehrmals täglich Direktflüge oder mit Zwischenlandung, meist in Trelew oder El Calafate. Die Flugzeit von der argentinischen Hauptstadt nach Ushuaia beträgt 3,5 Stunden. Du kannst auch Gabelflüge buchen, z.B. Buenos Aires – Ushuaia – Calafate... So kannst Du Ushuaia prima in eine Rundreise integrieren.
• Bus / Auto: Mit dem Bus erreicht man Ushuaia aus ganz Argentinien, aber z.B. auch vom chilenischen Punta Arenas. Überlandbusse fahren häufig mit Halt in Río Gallegos nach Ushuaia.

Gut zu wissen: Wenn Du über den Landweg nach Feuerland fährst, achte unbedingt darauf, Deinen Pass mitzunehmen. Feuerland ist nur über Chile zu erreichen, d.h. man reist südlich von Río Gallegos am Paso de Integración Austral aus Argentinien aus und nach Chile ein, setzt mit der Fähre nach Feuerland über, verlässt am Paso Fronterizo San Sebastián Chile und reist erneut in Argentinien ein.

• Schiff: z.B. Kreuzfahrtschiff ab Buenos Aires, Santiago de Chile oder Punta Arenas

Vom Campingplatz über einfache Hostels bis hin zum Luxushotel bietet Ushuaia für jeden Reisenden die passende Unterkunft, buchbar über die gängigen Portale (Booking, Airbnb usw.). Vor allem im Hochsommer solltest Du Deine Unterkunft im Voraus buchen.

Wenn Du in einer kleinen (Freundes-)Gruppe unterwegs bist oder einfach Wert auf eine schöne Aussicht legst, empfehle ich Dir die höheren Lagen am Fuße der Anden, z.B. die Cabañas Amaneceres del Beagle. Die Holzterrassen laden bei gutem Wetter dazu ein, den Blick über Ushuaia und den Beagle-Kanal zu genießen. Die Besitzer sind sehr nett und hilfsbereit. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie Englisch sprechen.

Etwas außerhalb des Stadtzentrums genießt man einen wunderbaren Blick über die Bucht von Ushuaia

Das Visitor Center von Ushuaia befindet sich am Hafen, Adresse: Av. Prefectura Naval Argentina 470 und ist täglich geöffnet von 8:30 bis 20:30 Uhr. Dort gibt es auch den kostenlosen Pinguin-Ende-der-Welt-Stempel für den Reisepass.

Direkt gegenüber in den kleinen Holzhäuschen befinden sich die meisten konventionellen Tourenanbieter (z.B. Exkursionen in den Feuerland Nationalpark, Beagle-Kanalfahrten, Pinguininsel Martillo usw.).

Soviel zur ersten Orientierung in Ushuaia.

Im nächsten Artikel stelle ich Dir ein paar Sehenswürdigkeiten und Ausflüge vor.

• Argentinien Rundreise 3 Wochen
• Packliste Argentinien
• Perito Moreno Nationalpark - Patagoniens verstecktes Naturparadies
• Feuerland & Patagonien Roadtrip
• Halbinsel Valdés