Herbst im Nahuel Huapi Nationalpark

Den Herbst begrüßen wir in diesem Jahr bei herrlichstem Sonnenschein in San Carlos de Bariloche. Wir wollen das laute Chaos von Buenos Aires gegen frische Luft, schöne Naturmomente und einen vom Wandern müden Körper eintauschen. Infos rund um die Stadt Bariloche im argentinischen Seengebiet findest du in diesem Artikel. Außerdem habe ich in einer ausführlichen Artikel-Serie über die Nahuel Huapi Traverse sowie hier über eine mehrtätige Hütten- und Zelttour bis Pampa Linda berichtet.

 

Sonnenaufgang Laguna Tonchek, Patagonien
Laguna Tonchek & Catedral Massiv bei Sonnenaufgang, Nahuel Huapi Nationalpark

Hütten-Wanderung bei Bariloche: Refugio Frey – Refugio Jakob – Colonia Suiza

 

Das Zelt lassen wir zu Hause, denn wir wollen bei diesem Kurztrip ausschließlich in Berghütten übernachten und haben Betten sowie Verpflegung dort bereits reserviert. In drei Tagen wandern wir von Villa Catedral in der Nähe von Bariloche zur Hütte Frey, von dort zur Hütte San Martín (Jakob) und schließlich in den kleinen Ort Colonia Suiza.

 

Rucaco Tal, Brecha Negra und Tronador, Nahuel Huapi Nationalpark, Bariloche
Blick von der "Cancha de Fútbol" am Cerro Catedral ins Rucaco Tal. Steil führt der Pfad über loses Geröll ins Tal. Am Talschluss wartet die Brecha Negra mit einigen Höhenmetern auf müde Wanderer. Im Hintergrund thront der Tronador.

Tag 1: Buenos Aires – Refugio Frey

 

Drei Stunden Schlaf, zwei Stunden Flug, der Blick auf den perfekt geformten Vulkan Lanin verrät: Endlich wieder in Patagonien! Noch ein kurzer Gruß an den Donnerberg Tronador, dann tauchen wir ein in ein wattiges Wolkenmeer. Nebelschwaden schlummern im Tal, als der Flieger zur Landung ansetzt. Die Welt ist herbstlich gekleidet. Aussteigen und tief einatmen, Patagonien!

 

Landeanflug auf Bariloche

Bild 1: der Vulkan Lanín ragt aus dem Wolkenmeer

Bild 2 & 3: die Gegend um Bariloche ist früh morgens noch in herbstliche Nebelschwaden gehüllt

 

Vom Flughafen mit der Linie 72 zum Busbahnhof, eine Stunde warten, mit der 55 nach Villa Catedral. Loslaufen! Die Füße kennen den Weg, sind ihn schon zig mal gegangen, zuletzt vor einem Monat mit einer Reisegruppe. Trotzdem ist er immer wieder schön, der Panoramaweg hoch über dem Gutiérrez See, der sanft bergauf und bergab führt. Patagonisch flach nennen wir das. Meine Gäste können von „patagonisch flach“ ein Liedchen singen.

 

Bald ist die erste Nadel des Catedral-Massivs in Sicht. Wir verabschieden uns vom See und marschieren durch einen von der Sonne durchfluteten Südbuchenwald. Kurze Rast am Van Titter Fluss, Zeit fürs Frühstück. Acht von zehn Kilometern sind geschafft, die letzten zwei sind schweißtreibend. Das bedeutet: nicht mehr patagonisch flach, sondern steil! In Serpentinen schlängelt sich der Weg mal durch den Wald, dann wieder über felsige Passagen dem tiefblauen Himmel entgegen.

 

Wanderung zum Refugio Frey (ab Villa Catedral)

Bild 1: ohne nennenswerte Aufs und Abs kann man auf dem Panoramaweg den Blick auf den Gutiérrez See bestens genießen.

Bild 2 & 3: einer der Türme des Catedral-Massivs ist bereits in Sicht. An einem Aussichtspunkt hat man hier den letzten Blick auf den See, dann führt der Pfad in einen märchenhaften Südbuchen-Wald. Nach dem Van Titter Fluss beginnt der Aufstieg zum Refugio Frey (2 km).

 

Am frühen Nachmittag erreichen wir das Refugio Frey, das auf 1700 m an der Laguna Tonchek liegt. Hier bekommt man für 5000 Ars (März 2023) einen Platz im Matratzenlager, wer 8000 Ars obendrauf legt, kommt zusätzlich in den Genuss eines leckeren 3-Gänge-Menüs und eines Frühstücks. Zelten ist kostenlos. Die Übernachtung muss im Voraus über die Webseite des Refugios reserviert werden (3 Tage vorher möglich). Im Detail habe ich die Wanderung von Villa Catedral zum Refugio Emilio Frey in diesem Artikel beschrieben.

Bis sich die Sonne hinter den spitzen Nadeln des Catedral-Massivs verabschiedet, trinken wir Mate und kühlen unsere Füße in der Laguna Tonchek.

 

Tag 2: Wanderung Refugio Frey – Refugio Jakob (San Martín)

 

Heute wartet das Herzstück unserer dreitägigen Wanderung auf uns. Bevor wir die Wanderschuhe schnüren, genießen wir die Morgenstille an der Lagune. Die nachtschwarzen Berge werden allmählich in blaues, lila- und rosafarbenes Licht getaucht, um schließlich golden von der aufgehenden Sonne angestrahlt zu werden.

Nach dem Frühstück geht es los, zunächst am Ufer der windstillen Lagune entlang, in der sich glasklar die umliegenden Berge spiegeln, dann über Geröll steil nach oben zur Laguna Schmoll.

 

Morgenstimmung an der Laguna Tonchek:

 

Zuversichtlich blinzle ich dem „Fantasma“, meinem Kopfgespenst, zu. Fünf Jahre sind vergangen, seit ich das letzte Mal hier war. Auch damals stand die Frey-Jakob-Traverse auf dem Plan. Zwei Dinge ließen uns umkehren: der Schnee und meine Angst.

Es fehlten nur noch ein paar Meter bis zum Plateau, als ich den steilen Hang nach unten blickte und von einem Moment auf den anderen erfüllt war von Angst – obwohl der Weg nicht sonderlich exponiert ist.

Ich fühlte mich wie ein plumper Mehlsack, unfähig, meinen Körper über die Felsen zu hieven. Dazu gesellten sich bald Tränen und panische Schnappatmung. Schweren Herzens entschieden wir uns zur Umkehr. Über das Refugio Frey nach Bariloche und anschließend den direkten Weg zum Refugio Jakob, ohne Angst, sanft ansteigend durchs Tal.

 

Cerro Catedral & Laguna Schmoll:

 

Das Echo des „Fantasmas“ war während der letzten fünf Jahre immer wieder in meinem Kopf präsent. Warum bekam ich an einer Stelle, die technisch nicht sonderlich schwer ist, plötzlich Angst? An einer Stelle, die andere mit einem Lächeln meistern? Und in mir nur immer wieder Tränen. Ich weiß heute, dass ich viel zu streng mit mir selbst war. Manchmal ist es nur eine Frage der Tagesform. Vielleicht war es auch die fehlende Erfahrung im Geröll, am Fels, im Schnee. Daran jedenfalls haben wir in den letzten Jahren kräftig gearbeitet. Die Fünf-Lagunen-Wanderung mit dem Abstieg des Cerro Cristal, der Paso del Cuadrado bei Chaltén, weglos und steil auf den Cerro Esfinge in Feuerland – all das war deutlich anspruchsvoller.

 

Wanderung Refugio Frey - Refugio Jakob
Hola "Fantasma", chau Angst! Am rechten Bildrand führt der gut markierte Pfad über Steine, Geröll und Felsen zur Cancha de Fútbol.

 

Fünf Jahre später bin ich also zurück, vertrauend auf mich selbst und äußerst zuversichtlich. Fünf Jahre später kraxel auch ich mit einem fröhlichen Lächeln und gesund-konzentrierten Gedanken dem blauen Himmel entgegen. Der griffige Fels an meinem Händen fühlt sich gut an und gibt mir Sicherheit. Kurz darauf komme ich freudenstrahlend an der „Cancha de Fútbol“, besagter ebener Fläche an, blicke nach unten zur klein gewordenen Laguna Schmoll, verabschiede mich und kehre dem „Fantasma“ den Rücken zu.

 

 

Lange genießen wir im Sonnenschein den Blick auf den Hauptturm des Cerro Catedral auf der einen, den Nahuel Huapi See mit der Insel Victoria, die umliegenden Berge und das herbstlich anmutende Rucaco-Tal auf der anderen Seite. Die Sicht ist so klar, dass wir in der Ferne den Lanín erblicken. Erhaben wacht der Tronador mit seinen vergletscherten drei Gipfeln über dem Tal.

 

Der Abstieg zieht sich lange hin und erfordert erneut höchste Konzentration. Loses Geröll und rutschiges Sandgestein, in dem wir bis zum Knöchel versinken, verhindern schnelles Vorankommen. Aber das macht nichts, wir sind früh aufgebrochen und haben Zeit. Im Rucaco Tal angekommen, dürfen sich die Knie endlich erholen.

 

Blick übers Valle de Rucaco & den Nahuel Huapi See mit der Isla Victoria

 

Der Rucaco Bach mäandert durch das liebliche Tal, die Blätter einiger Lenga-Bäume erstrahlen bereits in kräftigen Rot. Nach etwa zwei Stunden gemächlichem „patagonisch flach“ steht der nächste und letzte Aufstieg für heute an. Unser Ziel ist der fast 2000 Meter hohe Sattel der Brecha Negra.

Ich strotze nur so vor Energie, auch wenn die Füße und Beine allmählich schwer werden und der Rucksack ebenso schwer auf den Schultern liegt. Die Sonne hat das schwarze Gestein erhitzt und die Abwesenheit des patagonischen Windes treibt uns erneut die Schweißperlen ins Gesicht.

 

Valle de Rucaco

Einige Lenga-Bäume zeigen sich Ende März bereits in herbstlichem Rot. Auf dem 3. Bild sieht man rechts den Cerro Catedral, von dort sind wir ins Tal abgestiegen. 4. Bild: Der Aufstieg zur Brecha Negra beginnt gemächlich und wird dann immer steiler.

 

Oben angekommen, ist das idyllisch am See gelegene Refugio Jakob bereits zu erkennen. Obwohl wir am liebsten schon unten wären, gönnen wir uns eine weitere ausgiebige Rast.

Dicht über unseren Köpfen kreisen sechs Kondore. Der „König der Anden“ erreicht eine Flügelspannweite von bis zu drei Metern, was ihn nicht davon abhält, elegant durch die Luft zu gleiten. Kondore zu sehen ist jedes Mal aufs Neue faszinierend. Sie fliegen so tief, dass wir die Luft zwischen ihren Flügeln lautstark hören können.

 

 

Als sie das Interesse an uns verlieren und über die Berggipfel verschwinden, machen wir uns an den Abstieg. Die Sonne steht mittlerweile tief und der rutschige Geröllhang führt beinahe in Falllinie 400 Höhenmeter ins Tal.

Während wir mittlerweile doch etwas erschöpft einen Fuß vor den anderen setzen, werden die ausgelassenen Stimmen der Gäste, die sich ein Bad im See gönnen, immer lauter. Ich will ein Teil von ihnen sein und auch endlich ankommen. Das Ziel scheint einen Katzensprung entfernt, aber wie das so oft in den Bergen der Fall ist, dauert es noch eine ganze Weile, bis wir an der vor ein paar Jahren neu eröffneten Jakob-Hütte ankommen.

 

Brecha Negra

Auf dem Sattel der Brecha Negra angekommen, grüßen wir noch ein letztes Mal den Cerro Catedral. Auf der anderen Seite sehen wir bereits unser Tagesziel: die Berghütte Refugio San Martín an der Laguna Jakob.

 

Die Zeit bis zum Abendessen verbringen wir Mate trinkend in netter Gesellschaft einiger europäischer Wanderer. Ihnen erklärt der Liebslingsargentinier vor dem Schlafengehen den südlichen Nachthimmel. Seine ruhige Stimme hat etwas Meditatives, die Müdigkeit hüllt mich komplett ein. Ich lasse die Sterne Sterne sein, verabschiede mich gähnend und kann im warmen Schlafsack gerade noch einmal stolz lächelnd an das „Fantasma“ denken, dann fallen meine Augen zu.

 

Das Refugio Jakob liegt idyllisch am See, im Hintergrund die "Teufelshörner" Cuernos del Diablo
Das Refugio Jakob liegt idyllisch am See, im Hintergrund die "Teufelshörner" Cuernos del Diablo

Tag 3: Refugio Jakob (San Martín) – Colonia Suiza

 

Der nächste Morgen begrüßt uns mit: einem ordentlichen Muskelkater! Wir frühstücken ausgiebig und lassen uns Zeit, denn die heutige Etappe ist zwar lang, aber nicht so anstrengend. Zumal es tendenziell den ganzen Tag bergab geht. Wir genießen also die Morgenruhe am Seeufer mit wärmendem Mate, bevor wir uns an den Abstieg machen. Lichtdurchflutete Lenga-Wälder, saftig grüner Caña Colihue Bambus und das kristallklare Wasser des Arroyo Casa de Piedra lassen uns die Muskelschmerzen bald vergessen.

 

Abstieg vom Refugio Jakob ins Tal des Arroyo Casa de Piedra

Vom Refugio bis zum Ausgangspunkt Tambo de Báez an der Ruta Provincial 79 sind es rund 14 km und 800 Höhenmeter, bis auf ein paar kleine Erhebungen ständig bergab. Dann weitere 7 km an der Straße entlang bis Colonia Suiza.

Der Bach Arroyo Casa de Piedra lädt zu ausgiebigen Pausen ein.

 

Nach etwa fünf Stunden erreichen wir die staubige Straße zwischen Puerto Moreno und der Bahía López. Die meisten Wanderer versuchen hier trampend zurück nach Bariloche oder zumindest bis zur nächsten Bushaltestelle zu kommen. Wir schlagen den entgegengesetzten Weg ein, denn wir wollen heute in Colonia Suiza übernachten. Diese letzten 7 Kilometer ziehen sich schleppend hin, der Muskelkater kommt schreiend zurück und ein paar Blasen an den Füßen machen sich bemerkbar.

Im goldenen Abendlicht erreichen wir den Campingplatz in Colonia Suiza, wo wir bei einem kalten Bier unser kleines Wanderabenteuer Revue passieren lassen.

 

Landeanflug auf Bariloche
Am linken Bildrand ragt der "Donnerberg" Tronador aus dem Wolkenmeer.

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Kommentare: 2
  • #1

    Hilde (Samstag, 15 April 2023 09:12)

    Wunderschöne Bilder und Berichte LG.HILDE

  • #2

    Argentinien24/7 (Montag, 17 April 2023 15:47)

    Schön, dass Dir der Artikel gefällt, liebe Hilde! :-)
    Grüße aus Buenos Aires
    Simone