Giulia lebte und arbeitete einige Jahre in Uruguay und Argentinien. Ich lernte sie nach dem Finale der letzten WM in einer Bar in Buenos Aires kennen. In jener Nacht waren die Argentinier nicht sonderlich in Feierlaune, wir dafür umso mehr. So etwas schweißt natürlich zusammen.
Ein Jahr später kehrte sie zurück nach Deutschland, um in Berlin ihren Master zu machen. Giulia sucht - und findet - immer einen Grund, nach Buenos Aires zurückzukehren. So war schnell klar, wohin es sie für das Auslandssemester ziehen würde...
An welcher Uni hast du studiert und was?
An der Universidad Nacional de San Martín (UNSAM), Estudios Latinoamericanos (Lateinamerikastudien).
Hast du das Auslandssemester selbst organisiert?
Mehr oder weniger. Meine Uni in Deutschland hat einige sogenannte „convenios“ mit verschiedenen Universitäten in Lateinamerika und der Karibik, d.h. Kooperationen, die einen Austausch erleichtern. Darunter fällt auch die UNSAM. „Austausch erleichtern“ bedeutete in meinem Fall, dass ich eine Ansprechperson an der UNSAM hatte und dass mir im Falle einer Zulassung die Studiengebühren erlassen würden. Trotzdem musste ich ganz normal am Bewerbungsverfahren um einen Studienplatz an der Uni teilnehmen und mich selber um die Finanzierung kümmern.
Ich bewarb mich um ein Promos-Stipendium der FU Berlin und bekam eine Zusage. Gleichzeitig teilte mir auch die UNSAM mit, dass ich einen Platz bekommen hatte und so konnte ich endlich den Flug buchen.
Wie sah dein Uni Alltag aus?
Ich konnte meine Kurse so legen, dass ich nur einmal pro Woche nach San Martín fahren musste. Dafür musste ich ziemlich früh aufstehen, da ich mindestens eine Stunde brauchte und der Kurs um 8:30 begann. Danach gingen wir immer in die Mensa auf dem Campus und lagen danach ein bisschen auf der Wiese vor dem Hauptgebäude und tranken Mate oder lasen Texte für die kommende Woche. Der nächste Kurs begann um 14 Uhr und dauerte auch 3-4 Stunden. Gegen 17:30/18 Uhr konnte ich dann mit 2 Kommilitonen, die auch in San Telmo wohnten, den Heimweg antreten. Meistens führte uns der Weg direkt zu Los Chisperos, wo wir Tango tanzen lernten. Das Centro de EstudiosLatinoamericanos (CEL) gehört zu den ausgelagerten Fakultäten der UNSAM, die im Zentrum der Stadt liegen. Hier wurden Kurse nur abends angeboten,meistens von 18-21 Uhr. Zweimal in der Woche konnte ich also in Capital bleiben und sogar zu Fuß zur Uni laufen.
Teile deine Eindrücke mit uns!
Die UNSAM ist eine recht neue Uni in einem Vorort von Buenos Aires mit einigen ausgelagerten Fakultäten im Zentrum, die erst 1992 gegründet wurde. In meinen Kursen waren nie mehr als 20 Leute und die Professoren und Professorinnen sehr präsent und immer ansprechbar. Das erleichterte das Lernen und Teilnehmen enorm und ich konnte viel aus den Seminaren mitnehmen.
Zwischen Bachelor und Master hatte ich schon einmal in Buenos Aires gelebt und an einer Sprachschule gearbeitet. Für mich war es eine tolle Erfahrung, endlich auch die Universitätslandschaft der Stadt kennenzulernen und andere Studierende. Ich bin der Meinung, dass ein Studium in Argentinien anspruchsvoller ist als in Deutschland und dass mehr von den Studierenden erwartete wird. Pro Veranstaltung gibt es mehr Semesterwochenstunden, mehr vorausgesetzte Literatur und sogar mehr Klausuren (meistens 3 pro Veranstaltung, zwei „parciales“ und ein „final“). Nebenbei müssen viele Studierende in Voll- oder Teilzeit arbeiten, weswegen viele lange brauchen, um einen Studiengang abzuschließen.
Mein persönlicher Eindruck ist außerdem, dass die Universitäten viel mehr Raum für politische Diskussionen bieten als in Deutschland oder dass die Studierenden interessierter sind. Es gibt jeden Tag Vorträge, Unterschriftensammlungen, manchmal auch Streike, an den Wänden hängen Poster und Plakate mit (hauptsächlich linken) politischen Statements. Die Universität ist nicht nur eine Bildungseinrichtung, in der man möglichst in Regelstudienzeit Bachelor und Master abschließt, sondern vielmehr auch ein Ort des Meinungsaustauschs, an dem man über viele Jahre hinweg ein und ausgeht.
Was hast du aus dem Auslandssemester mitgenommen?
Ganz viel neuen Input für meine Masterarbeit und motivierendes Feedback, Kontakte zu Professoren und Professorinnen, die zum gleichen Thema forschen, tolle Freundschaften und den Tango.
Deine Tipps für das perfekte Auslandssemester in Argentinien?
Ich denke, dass Sprachkenntnisse zu einem erfolgreichen Auslandssemester beitragen und Frustmomenten vorbeugen. Die Unterrichtssprache ist natürlich Spanisch und es ist etwas anderes, zum Spanischlernen nach Argentinien zu gehen oder zum Studieren. Ansonsten einfach alles auf einen zukommen lassen und abwarten, was passiert. Vorher planen kann man wie immer wenig und am Ende kommt es eh alles anders als man denkt.
Danke, liebe Giulia, dass Du Dir die Zeit genommen hast, die Fragen zu beantworten.
Ich freue mich darauf, bald zum ersten Mal ein Bierchen in Deutschland mit Dir zu trinken :-)
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